Der aktuellen Studie zufolge erhöht das Virus das MS-Risiko um das 32-Fache, MS-Patenten weisen zudem signifikant mehr Antikörper gegen das Virus auf als gesunde Infizierte, wie die Forschenden in „Science“ berichten.
95 Prozent aller Menschen haben sich als Kind mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) angesteckt – meist völlig unbemerkt. Der zu den Herpesviren gehörende Erreger verursacht meist keine Symptome, bleibt aber lebenslang latent im Körper. Seine inaktive Form überdauert dabei in den B-Lymphozyten des Immunsystems. Nur bei einem sehr späten Virenkontakt kann EBV das Pfeiffersche Drüsenfieber auslösen.
Allerdings steht das Epstein-Barr-Virus im Verdacht, auch verschiedene Autoimmun-Erkrankungen auszulösen, darunter das Chronische Fatigue-Syndrom, entzündliche Rheumaformen und vielleicht sogar Long Covid. Eine besondere Rolle könnte das Virus zudem für die Multiple-Sklerose spielen – eine Erkrankung, bei der irregeleitete körpereigene Antikörper die Myelinhüllen der Nerven angreifen. Hinweise darauf lieferten bereits vermehrte MS-Fälle bei Patienten mit vorhergehendem Pfeifferschem Drüsenfieber, sowie Epstein-Barr-Viren in einigen MS-Entzündungsherden.
Ob EBV tatsächlich kausal an der Multiplen Sklerose beteiligt sein könnte, haben nun Kjetil Bjornevik von der Harvard University und seine Kollegen in einer der bisher umfangreichsten Studien dazu untersucht. Dafür werteten sie die Daten von rund zehn Millionen Angehörigen des US-Militärs aus, denen zwischen 1993 und 2013 bei medizinischen Routineuntersuchungen mehrfach Blut abgenommen worden war. 955 davon entwickelten im Laufe ihrer Dienstzeit eine Multiple Sklerose.
Die Wissenschaftler verglichen für 801 der MS-Patienten und 1.566 abgestimmte Kontrollpersonen den EBV-Infektionsstatus, die Antikörpertiter sowie weitere Parameter. "Das nächstbeste nach einer klinischen Studie ist es, die Häufigkeit von MS in einer Kohorte von EBV-negativen Individuen zu untersuchen, von denen sich einige im Laufe der Studienzeit mit EBV infizieren und andere nicht", erklären Bjornevik und sein Team. Weil aber rund 95 Prozent aller Erwachsenen das Virus in sich tragen, ist es schwer, solche Testpersonen zu finden.
Tatsächlich erwiesen sich 800 der 801 auf EBV untersuchten MS-Patienten als Träger des Epstein-Barr-Virus, ebenso ein Großteil der Kontrollgruppe. Bei 142 Teilnehmern jedoch - 35 späteren MS-Patienten und 107 Kontrollpersonen - waren die zu Beginn ihrer Dienstzeit entnommenen Blutproben noch EBV-negativ. Dies bot den Forschenden die Chance, zu vergleichen, ob eine EBV-Infektion während Studienzeit ein höheres MS-Risiko mit sich brachte.
Das Ergebnis: Die Teilnehmer, die sich im Laufe ihrer Dienstzeit mit EBV infizierten, erkrankten überproportional häufiger an Multipler Sklerose. "Das Risiko für eine MS stieg nach einer Infektion mit EBV um das 32-Fache", berichten Bjornevik und seine Kollegen. "Kein anderer bisher bekannter oder vermuteter Risikofaktor für MS zeigt eine so starke Assoziation." Selbst ein bekanntes Risikogen für MS erhöhe das Risiko nur um das Dreifache.
Weitere Indizien lieferten die von den Probanden gebildeten Antikörper gegen verschiedene Viren: "Die Antikörperreaktion auf virale Peptide war bei MS-Patienten und Kontrollen weitgehend gleich – außer gegen das Epstein-Barr-Virus", schreibt das Team. Sowohl vor Ausbruch der Multiplen Sklerose als auch danach war der Titer der EBV-Antikörper bei den MS-Patienten signifikant höher. Zudem stiegen die molekularen Anzeichen von Nervenschädigungen bei den MS-Patienten erst einige Zeit nach ihrer EBV-Infektion an.
Nach Ansicht von Bjornevik und seinem Team stützt dies einen direkten Zusammenhang zwischen der latenten Virusinfektion und Multipler Sklerose. "Die Hypothese von EBV als Auslöser der Multiplen Sklerose wird schon seit mehreren Jahren erforscht, aber unsere Studie ist die erste, die überzeugende Belege für eine Kausalität liefert", sagt Koautor Alberto Ascherio von der Harvard University. Die Ergebnisse sprächen dafür, dass die meisten MS-Fälle durch das Epstein-Barr-Virus ausgelöst würden.
"Die aktuelle Arbeit liefert weitere überzeugende Argumente dafür, dass der Zusammenhang zwischen EBV und MS tatsächlich kausal ist, das heißt, dass eine MS praktisch nie ohne eine vorherige EBV-Infektion entsteht", kommentiert der Neurologe Klemens Ruprecht von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Allerdings bedeute dies nicht, dass jeder mit dem Virus infizierte auch MS bekomme. "Man kann die MS vielmehr als eine seltene Spätkomplikation einer EBV-Infektion ansehen", so Ruprecht.
Das betonen auch William Robinson und Lawrence Steinman von der Stanford University in einem begleitenden Kommentar in "Science": "Die Infektion mit EBV ist wahrscheinlich notwendig, aber für sich allein nicht ausreichend, um die Multiple Sklerose auszulösen", schreiben sie. "Die Ansteckung mit dem Virus ist zwar der erste Schritt im Krankheitsprozess, dann müssen aber zusätzliche Faktoren hinzu kommen, um die Erkrankung voll ausbrechen zu lassen."
Wie das Epstein-Barr-Virus die fehlgeleitete Immunreaktion der Multiplen Sklerose auslösen könnte, ist noch ungeklärt. Denkbar wäre aber, dass Teile des viralen Proteins von EBV dem Myelin der Nervenhüllen oder anderen Proteinen des zentralen Nervensystems ähneln. Dann könnten gegen das Virus gebildete Antikörper irrtümlich die Nervenstrukturen angreifen. Möglich wäre auch, dass der Befall der B-Lymphozyten durch die latenten Viren immunaktivierende Signalstoffe freisetzt.
"Durch welche Mechanismen das EBV an der Entwicklung einer Multiplen Sklerose mitwirkt, ist derzeit unbekannt. Daher ist die entscheidende wissenschaftliche Herausforderung, nunmehr den Mechanismus zu klären, durch den EBV in der Entstehung der MS eine Rolle spielt", betont Ruprecht. "Die zentrale Frage lautet somit nicht ob, sondern wie EBV an der Entwicklung einer MS beteiligt ist.“
Sollte sich der kausale Zusammenhang bestätigen, dann würde dies nicht nur die noch immer unklaren Ursachen der Multiplen Sklerose erhellen. Es könnte auch neue Ansatzpunkte für eine Therapie des fortschreitenden Nervenabbaus bieten: "Es gibt zwar zurzeit keine Möglichkeit, eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus zu verhindern. Aber ein künftiger EBV-Impfstoff oder ein antivirales Mittel gegen EBV könnten MS-Fälle vermeiden oder vielleicht sogar zur Entdeckung eines Heilmittels für Multiple Sklerose führen", so der Forscher.
Quelle: Harvard T.H. Chan School of Public Health
Dieser Artikel wurde verfasst von Nadja Podbregar
Das Original zu diesem Beitrag "Studie mit 10 Millionen Menschen zeigt möglichen Auslöser von Multipler Sklerose" stammt von scinexx.
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